Truman Capote: „Frühstück bei Tiffany“

Truman Capote: „Frühstück bei Tiffany“ Jubiläumsausgabe, Roman, aus dem Amerikanischen neu übersetzt von Heidi Zerning, mit eigens angefertigten Modeskizzen von Hubert de Givenchy, Zürich 2008, die Originalausgabe erschien 1958 unter dem Titel „Breakfast at Tiffany“s in New York, 175 S., 14 Euro

Ein halbes Jahrhundert alt – und so frisch wie am ersten Tag, möchte man meinen, wenn man diesen Klassiker – aber wer hat ihn gelesen? – noch einmal oder auch zum ersten Mal liest.
Ein – auch heute noch – eigentümliches Wesen bringt den Ich-Erzähler, der sowohl Nachbar als Freund ist, ebenso auf Trab wie diverse andere Männer. Das ist wunderbar leicht und mit Witz sowie dezenter Melancholie erzählt und derzeit in einer sehr hübschen, sehr handlichen Jubiläumsausgabe bei Kein & Aber zu haben. Ein apart in schwarze Seide gebundenes kleines Buch mit silbergrauem Lesebändchen und abgerundeten Ecken, sowie vier beigelegten Karten mit Fotos aus der Verfilmung des Romans mit Audrey Hepburn als Holly Golightly im Jahr 1961. Sie trägt einen sprechenden Namen, der in etwa „Nimm“s leicht“ bedeutet.
Diese Holly ist ein sehr junges, ganz diesseitiges, modernes, vollkommen chaotisches Geschöpf, dessen Mixtur aus Sex-Appeal, Sorglosigkeit bis zur Naivität und Lebenshunger sie so frappierend und für die Männer so interessant macht. Aber auch für einen einsitzenden Mafiaboss, den sie regelmässig gegen Geld besucht, der sie aber benutzt um Botschaften aus dem Knast zu befördern, was sie schliesslich das Heiratsversprechen ihres erhofften Zukünftigen kosten wird. Ihre Wohnung an der Upper East Side finanziert die im Grunde mittellose Neunzehnjährige durch ihre Männerbekannschaften.


Der Erzähler meint, sie würde „sich nie ändern“, da ihr ihr Charakter zu früh gegeben worden sei – was immer das heissen soll. (S. 91) Er sieht sie als „schräge Romantikerin“. (S. 92) Als solche geht ihr Plädoyer in Richtung freie Liebe:
„Wenn ich die freie Wahl unter allen Lebenden hätte, nur mit den Fingern schnippen und sagen müsste, du, komm her, dann würde ich mir nicht José aussuchen. Also den Mann, den zu heiraten sie beschlossen hat, H.K.) Nehru, der kommt schon eher hin. Wendell Wilkie. Die Garbo wäre mir jederzeit recht. Warum nicht? Jeder Mensch sollte einen Mann oder eine Frau heiraten dürfen oder – hör mal, wenn du ankämst und sagtest, du willst dich mit einem Rennpferd zusammentun, würde ich deine Gefühle achten.“ (S. 130)
Wie wird sich dieses Plädoyer für die freie, auch gleichgeschlechtliche Liebe, hier der Holly Golightly in den Mund gelegt, in den 50ern gelesen haben? Jedenfalls stimmt dazu sehr gut:
„Sei alles, nur kein Feigling, kein Heuchler, kein Schwindler in Gefühlsdingen, keine Nutte: Ich hätte lieber Krebs als ein unehrliches Herz.“ (S. 131) Hier mag durch seine Figur auch der Autor Capote zu hören sein.
Dennoch – oder dadurch? – wirkt Holly flatterhaft, heimatlos, auf der Suche:
„Zuhause ist da, wo man sich zu Hause fühlt. Ich suche noch danach.“ (S. 160)
Am Ende dann die auf“s Herzen zerreiܟen und auf die Tränendrüse drücken angelegte Stelle mit dem Aussetzen des Katers im Regen und der Fahrt zum Flughafen in eine reichlich ungewisse Zukunft. Warum mag man diese kleine Schreckschraube, wie wickelt sie die Männer um den Finger? Fest steht: Sie tut es. Immer noch. Man sollte diese hübsche kleine Ausgabe zum Anlass nehmen, sie kennenzulernen und den Roman, der so schlank ist wie seine Heldin, wieder oder zum ersten Mal zu lesen.


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