Antonio Dal Masetto: „Blut und Spiele“

Antonio Dal Masetto: „Blut und Spiele“, aus dem Spanischen von Susanna Mende, Frankfurt am Main 2008, die Originalausgabe erschien unter dem Titel „Bosque“ 2001 in Buenos Aires, die erste deutschsprachige Ausgabe 2006 in Zürich, 230 Seiten, 8,00 Euro

„Blut und Spiele“ nimmt inhaltlich Bezug auf das Buch „Noch eine Nacht“ des gleichen Autors, das hier im Blog im Februar 2007 bereits besprochen wurde. – Das ungeschriebene Gesetz, dass Folgeprodukte in aller Regel schwächer sind als der erste Teil, scheint sich hier wieder einmal zu bestätigen. Zwar hat das neue Buch auch seine Qualitäten, aber es kann an das erste nicht heranreichen; vermutlich hätte Dal Masetto sich besser eines neuen Stoffes angenommen.
Zu unmotiviert ist das Bleiben des Helden, zu rätselhaft und allgegenwärtig ist die Motorradbraut die, es sei ausnahmsweise einmal verraten, am Ende, ganz im Unterschied zum ersten Buch, auch noch zu einem nicht wirklich überzeugenden Happy end herhalten muss. Zu gesucht und grausam der Tod zweier Täter. – Diese späte „Rache“ des Schicksals schmeckt schal. Auch die plötzliche Wendung der Absichten des Helden, die er dann gleich in die Tat umsetzt, ist zu wenig vermittelt.
Die Spannung, die der Autor dennoch aufzubauen in der Lage ist, rührt ganz wesentlich von „Noch eine Nacht“ her, denn dort wird gleichsam in Zeitlupe und mit unvermeidlicher Konsequenz das Verhängnis ausgebreitet. Das war böse und gelungen, man hätte es dabei belassen sollen. Der zweite Teil wirkt teils aufgesetzt und künstlich, die „Gerechtigkeit“, die hergestellt wird, hat einen Pseudocharakter.
So ist der neue Roman ein Buch, das nur bedingt alleine stehen kann, da der Leser die Vorgeschichte zum Verständnis braucht oder doch kennen sollte. – Doch wirkt der zweite Band der Geschichte des fiktiven Ortes Bosque blässlich und ausgedacht neben dem ersten, auch wenn es ein, zwei drastische Szenen und einen skurrilen Bankdirektor darin gibt.
Müßig, sich zu überlegen, wie der Autor die Story hätte retten können.
Trotzdem: Wenn er auch den neuen Helden in Bosque hätte untergehen lassen – und das hätte die Geschichte ganz ungezwungen hergegeben, ja das ist fast angelegt, dann hätte das Buch vielleicht wesentlich gröߟere Chancen gehabt, zu überzeugen. – So entwertet er in gewisser Weise Stimmung und Aussage des ersten Romans, was zusätzlich schade ist.
Was folgende Stelle soll – und was man aus ihr, aus einer solchen Haltung heraus, hätte machen können – der Autor allein mag es wissen:
„Und das Dorf kam ihm vor wie eine Bühne, auf der die ganze Zeit ein Stück aufgeführt wurde. Eine Fassade, hinter der sich eine allgemeine Bereitschaft verband, zu schweigen und jede Art von Verbrechen, die erst vor ein paar Stunden stattgefunden hatten. Sondern ein großes, verborgenes Versprechen, das bereits geschehen war, ein Verbrechen, das noch bevorstand, das sämtliche Verbrechen in sich barg und die Luft, die Menschen und die Dinge vergiftete.“ (S. 197)
In dieser Stelle erscheint das Grundböse durch, das den Unterzug des ersten Bandes bildete und das darin enthaltene Geschehen näherungsweise ins ܜberpersönlich-Mythische erhob, doch entspricht der zweite Band dem leider in nichts und diese Stelle bleibt Behauptung und Fremdkörper im Text, Versuch einer missglückten Anknüpfung.
Wenn schlieߟlich noch das, was der Bankdirektor erfahren hat nicht nur für ihn zutreffen sondern auch darüber hinaus gelten soll, ist die ohnehin schwer glaubliche, da recht unmotivierte Beziehung zwischen dem Helden und der Tochter des Anwalts zu Ende des Romans von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der Bankdirektor, ein manischer Sammler von Zinnfiguren, sagt:
„Ich komme hierher und bin bei meinen Soldaten. Mehr brauche ich nicht, Es tut mir Leid, dass ich es mit niemandem teilen kann. Ich habe fast keinen Umgang hier im Dorf. Ich lebe mit meiner Frau, meiner älteren Tochter und meiner Schwiegermutter zusammen. Früher sind sie gekommen und haben spioniert. Dann haben sie an mir herumgenörgelt, sich darüber lustig gemacht und mich behandelt, als wäre ich verrückt. Eines Tages habe ich das Schloss ausgewechselt, und jetzt habe ich nur noch einen Schlüssel. Manchmal, wenn es spät wird, schlafe ich hier auf dem Sofa, damit sie sich nicht über den Lärm beschweren. Sie können sich nicht vorstellen, was es heiߟt, mit drei Frauen zusammenzuleben.“ (S. 95)

(Auf S. 45 oben steht „mit einen V.“ – hier muss der Dativ stehen.
„Weidmannsheil“ ist eine beknackte Folge der Neuen Falschschreibung (S. 123) und auf S. 199 liest man „sagte sie Frau“ statt „sagte die Frau“)


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