William J. Locke: „Eine Weihnachtsgeschichte“

William J. Locke: „„Eine Weihnachtsgeschichte“, aus dem Englischen von Eva Leipprand, 11 Seiten, in: Augsburger Satyr Nr. 9, hrsg. von Andreas Nohl, Dezember 2008

Weihnachtsgeschichten gibt es viele, diese kannte ich noch nicht.
Und Weihnachtsgeschichten treten mit einer Hypothek an: Man erwartet von Ihnen etwas Erbauliches oder gar Beschauliches, eine Geschichte, die gut ausgeht oder für Frieden und Liebe steht.
Die vorliegende Erzählung von William J. Locke beginnt mit drei gestandenen Männern, die „„weltweit viel Ruhm und Ehre erworben hatten“ (S. 1) und sich kurz vor Weinachten vor dem Buchladen in Paddington Station treffen. Sie kennen sich nicht, stellen dann aber im Gespräch fest, dass sie alle drei das gleiche Ziel haben: einen „„gottverlassenen Ort in Cornwall namens Trehenna“(S. 1), zu dem sie alle eingeladen sind. Die drei unterschiedlichen Charaktere werden vorgestellt. Ein Professor Biggleswade, Spezialist für Assyrologie, Sir Angus McCurdie, seines Zeichens bedeutender Physiker sowie der Abgeordnete Viscount Doyne. Gemeinsam besteigen sie den Schnellzug. Allerdings schneit es drauߟen, die Laune ist nicht die Beste, ein wenig missmutig sind die von ihren Büchern weggelockten Gelehrten, denen gar nicht recht klar zu sein scheint, weshalb sie sich auf diese Reise eingelassen haben. Und dann gibt es auch noch einen Unfall und die drei müssen in einen kalten Regionalzug umsteigen bis sie schließlich, mit reichlich Verspätung am Zielbahnsteig eintreffen und dort von einem seit vier Stunden wartenden Chauffeur im Auto empfangen werden. Dieser ist trotz vierstündigen Wartens guten Mutes, man steigt ein, es gibt reichliche Decken und alles nötige, fast ist es gemütlich und die Stimmung wieder besser – bis der Wagen einen Achsbruch erleidet und in einer Schneewehe stecken bleibt. Der Chauffeur macht sich auf zehn Meilen Richtung Schloss zu gehen und mit einem intakten Fahrzeug zurückzukehren, während die drei renommierten Herren in die andere Richtung gehen, wo sie kurz zuvor ein kleines schäbiges Haus am Wegrand gesehen hatten, in dem sie Unterschlupf nehmen wollen.
Was sie dort erleben, soll nicht verraten werden, das wäre unbillig, aber eine veritable Weihnachtsgeschichte, wenn auch mit herbem Beigeschmack, wird es am Ende doch.
Eine hübsche Geschichte und schön ausgesucht, denn sie ist frei von allem Schwulst oder von Schwiemelei, was einem bei Weihnachtsgeschichten nun einmal begegnen kann.
Die drei Herren erleben auf ihre alten Tage eine wundersame Wandlung, wenn nicht gar Läuterung, wäre der Text länger könnte man von einer Novelle sprechen. Ein wenig Conan-Doyle-Stimmung schwingt mit, für ein leichtes Schauer-Element ist auch gesorgt und selbst erklärte Freunde des Happy Ends (ein Faible, das ich zugegebenermaߟen nicht teile) kommen doch mehr oder minder auf ihre Kosten.
So kann diese kurzweilige und spannende Weihnachtsgeschichte nur jedem wärmstens zur Lektüre empfohlen werden.

Im Original heiߟt der Text: „„A Christmas Mystery – The Story of Three Wise Men“ und stammt aus dem Jahr 1910.
William John Locke wurde 1863 auf Guayana geboren und starb 1930 in Paris.
Zunächst war er Lehrer, das behagte ihm aber nicht, Jahre später wurde er Sekretär des Royal Institute of British Architects, ein Posten, den er für zehn Jahre einnahm.
Einige seiner Texte kamen als Stücke an den Broadway, andere wurden verfilmt.


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