Rodolphe Töpffer: „Der kühle Bräutigam. Die Abenteuer des Herrn Cryptogam zu Wasser und zu Lande erzählt und gezeichnet von Rodolphe Töpffer“

Rodolphe Töpffer: „Der kühle Bräutigam. Die Abenteuer des Herrn Cryptogam zu Wasser und zu Lande erzählt und gezeichnet von Rodolphe Töpffer“, hrsg. von Kurt Kusenberg, Reinbek bei Hamburg 1968, ohne Seitenzählung

Auf Töpffer im Studium aufmerksam geworden, habe ich dieser Tage den Herrn Cryptogam noch einmal betrachtet – und wieder mit Vergnügen. Das ist einfach gut gemacht und hält sich auch nach ca. 170 Jahren noch erstaunlich frisch. Wenn man bedenkt, dass sich der alte Goethe bereits an Töpffers Bildergeschichten, an seiner Faust-Parodie „Dr. Festus“, delektiert hat! Seine ironisch-grotesken, manchmal surrealen, aber immer witzigen Geschichten verfehlen auch heute ihre Wirkung nicht und wirken dabei erstaunlich modern. – Sie sind vor Wilhelm Buschs Zeichnungen erschienen. Wir haben hier die Urgründe des Comics vor uns – und gleich durchaus sehr niveauvolle. Kurt Kusenberg hat in seinem kurzen aber sehr informativen Nachwort darauf aufmerksam gemacht.


Töpffer wurde nicht alt, am 31.01. 1799 in Genf geboren, starb er bereits im Juni 1846 in derselben Stadt. Töpffers Groܟvater war aus Schweinfurt in die Schweiz ausgewandert.
Er selbst wurde durch ein chronisches Augenleiden, das auch seinen fahrigen, undeutlichen Zeichenstil prägte, veranlasst, Lehrer für alte Sprachen zu werden.
Er schrieb auch Kunstkritiken, doch ist der Kunstkritiker Töpffer noch viel unbekannter als der Zeichner. Dabei waren seine Bücher schon zur Zeit ihres Erscheinens durch die Bank erfolgreiche Veröffentlichungen. Doch darf immer einmal wieder an ihn erinnert werden.

Erzählt wird im vorliegenden Werk die Geschichte eines 37jährigen Junggesellen, der dem Schmetterlingsammeln bedeutend grösseres Interesse entgegenbringt, als seiner zähen, auch schon nicht mehr ganz jungen Verlobten Elvira – woraus sich allerhand der abenteuerlichsten Entwicklungen ergeben, die Herrn Cryptogam – den heimlich Verheirateten, wie der sprechende Name ausweist – auf hohe See und schliesslich selbst in den Bauch eines Wales führen. Das ist mit sehr viel Witz erzählt, der sich nicht nur aus den Zeichnungen, sondern auch aus dem Spiel zwischen Bild und kurzer Bildunterschrift ergibt, die sich häufig gegenseitig ironisch kommentieren. Der Sinn für Komik und für ein, auch optisch, auf-die-Spitze-treiben ist enorm – wo hätte man vergleichbares – und gar zu dieser Zeit – schon gesehen? Etwa wenn in absurder Logik alle das Schiff verlassen. Manche Szenen und Experimente mit Bildaufteilungen und -schnitten scheinen bereits auf geniale Weise auf das Medium des Films vorauszudeuten und dieses gleichsam vorzubereiten.

Es ist eine leichte, entspannte und amüsante Lektüre, zudem „liest“ man sehr schnell, denn viel Text gibt es nicht, etwa eine bis fünf Zeilen pro Bild. Töpffer macht immer Vergnügen und man kann ihn auch in einer Umgebung lesen, in der die Lektüre eines anspruchsvollen Text-Buches schwierig wäre. Alle seine Sachen sind zu empfehlen, man sollte etwas von ihm besitzen – und selbst Kinder werden ihre Freude daran haben. Einfach besorgen und anfangen – der Rest ergibt sich von selbst, denn das Aufhören dürfte schwer fallen.


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