Bruno Frank: „Ein Abenteuer in Venedig“

Bruno Frank: „Ein Abenteuer in Venedig“, Novelle, München 1919, 99 Seiten

Per Zufall kam das kleine Buch auf den Tisch, das Titelbild war ganz hübsch, der geringe Umfang schien gerade richtig:

Doch zuerst: Wer war Bruno Frank? Den Namen hat man schon gehört oder gelesen, aber fällt einem mehr dazu ein?
Bruno Frank war der 1887 in Stuttgart geborene Sohn eines Bankiers, promovierte zum Dr. phil. und diente im Ersten Weltkrieg als Soldat. Er war mit Lion Feuchtwanger und Klaus Mann befreundet und ging im September 1933 in die Emigration. Seine Bücher gehörten zu denen, die verbrannt wurden. Gestorben ist er 1945 in Beverly Hills.

Erzählt wird in „Ein Abenteuer in Venedig“ der plötzliche Aufbruch eines soignierten Herrn Direktor Steingräber, der Berlin verlassen und sich für ein paar Wochen nach Süden wenden will und sich dies auch leisten kann. Mehr als eine Lustreise ist es eine Flucht – er hat die Nase voll von seinem normalen, gesetzten, in allzu geregelten Bahnen verlaufenden Leben. Also will er im Oktober nach Venedig, mit dem Zug. Und auch die Lektüre seines nicht näher benannten französischen Romans langweilt und ekelt ihn – er wirft ihn ins Gepäcknetz.
Man bekommt den Eindruck, ein frühes Burn out oder eine Midlife crisis geschildert zu bekommen, der Held kommt allenfalls abgehetzt zu sich, wenn aber, dann gefällt es ihm da nicht. Er stellt die Sinnfrage: „Wenn er seinem Herrgott dermaleinst Rechenschaft abstatten soll über sein Leben, dann war es eine Kette von Arbeitsstunden und Diners.“ (S. 10) Seine selbstkritische Phase lässt ihn sich fragen, wie er in seinem Ich zu Hause ist. (Vgl. S. 10) Er denkt an indische Yogis, an Pompej – und will sich, zunächst ein wenig mit Gewalt, erst einmal davon abbringen, seine Zeit nutzbringend zu verwenden. (Vgl. S. 12 f.)


Also geht es im Zug über den Brenner, Kindheitserinnerungen fliegen ihn an, sogar vor langer Zeit gelesene Verse kommen hoch. (Vgl. S. 13 ff.)
Und wie es in der Zeit üblich war, wird Herr Steingräber auch bedeutungsvoll physiognomisch vom auktorialen Erzähler vorgestellt. (Vgl. S. 16)
Dann ist er in Verona und findet sich in einer erstaunlich veränderten Welt wieder. (Vgl. S. 17) Bei Nacht will er in Venedig ankommen. Einsam ist es um ihn und er gestattet sich unterwegs „ein träumerisches Resumé seiner Existenz, wie er es weiter im Norden…dort…wohl nie und nimmer sich gestattet haben würde.“ (S. 21) Überdruss, Lebensekel, ja eine Lebenskrise wehen ihn an. (Vgl. S. 23)
Endlich kommt er am Bahnhof in Venedig an, sucht sich ein Zimmer, möglichst nicht für Touristen, ist aber nicht so naiv, ein Idyll oder einen Zufluchtsort für müde Seelen zu erwarten. (Vgl. S. 30)
Alsbald lernt er einen Herrn Slozek kennen, der gleichfalls physiognomisch erörtert wird (vgl. S. 34) und der ihn ins Theater einlädt und mit Frauen lockt. (Vgl. S. 38)
Bekannte oder Freunde wollte Herr Steingräber ohnehin meiden und eine Touristen-Kritik gibt es auch (vgl. S. 42 f.). Mit diesem Slozek verkehrt Steingräber, sieht sich Venedig mit ihm an. Eine Warnung des Erzählers gibt es (vgl. S. 51 f.) und ein Schattenspiel, das vielleicht verräterisch hätte sein können oder sollen (vgl. S. 60) sowie die Bemerkung, dass unsere Schwächen unser Leben regieren, was kaum von der Hand zu weisen ist. (Vgl. S. 65) Er redet, er philosophiert mit diesem angeblichen ehemaligen österreichischen Offizier Slozek, eine scheinbar zufällige Begegnung mit Bekannten von diesem führt zu einem Kartenspiel, ein Loch in einem Strumpf hätte noch einmal ein Indiz sein können, sich in acht zu nehmen, es kommt aber zu dem Spiel, während dem deutlich wird, dass Steingräber einer abgekarteten Sache aufgesessen ist und finanziell ausgenommen werden soll; er flieht Hals über Kopf ins nächtliche Venedig.
Was durchaus vielversprechend begann, endet überaus enttäuschend.
Die Erzählung seines Ennuy mündet in nichts weiter als in eine banale Räuberpistole vor dem malerischen Hintergrund von Venedig. Das ist schwach und verschenkt den ganzen Beginn, ja entwertet ihn noch im Nachhinein, denn damit wird ihm jeder Sinn genommen. Schade. Bruno Frank hätte zu mehr die Möglichkeit gehabt und hatte die Fäden dazu bereits in der Hand, wusste aber offenbar nichts weiter damit anzufangen. Das Büchelchen ist ein Konjunktiv: Es hätte etwas sein können. So beginnt es durchaus interessant und endet in einem „Plopp“ von Nichts.

Woher und wofür dann solche Sätze zu Beginn: „Ja, diesmal handelte es sich keineswegs um eine bildende und den Geschmack läuternde Reise, oh, – diesmal galt es einen entschlossenen Bruch mit der gewohnten tätigen und praktischen Existenz, eine Absage an all das, womit sonst sein Leben ausgefüllt war: an alle Versammlungen, alle Sitzungen und alle Besprechungen vertraulicher Art, an die durchprüfende, die organisierende, die überwachende Tätigkeit, die er jahraus jahrein in den Dienst des von ihm geleiteten industriellen Betriebes stellte.“ ? (S. 5 f.)


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