Budd Schulberg: „Was treibt Sammy an?“

Budd Schulberg: „Was treibt Sammy an?“, Neuübersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Harry Rowohlt, Zürich 2008, zuerst New York 1941 unter dem Titel „What Makes Sammy Run?“, deutsch zuvor als „Lauf, Sammy!“ von Bernhard Schmid 1993, die aktuelle Ausgabe hat 410 Seiten und kostet 19,90.-

Ein spannender, kritischer und wie seine Hauptfigur temporeicher Roman, dem man sein Alter – im Jahr 1941 erstmals veröffentlicht – nicht anmerkt. Sammy Glick, dessen Name auch die Variante „Glück“ nahegelegt oder eingeschrieben ist, ist ein Individuum, das, der Grund dafür, und das kann man auch für einen kleinen Malus des Romans halten, der Grund wird erst zum Ende des Buches biographisch deutlich gemacht, jeden Abstand, jede etwas höhere Regung ad absurdum führt und der Lächerlichkeit preisgibt. Für diesen Protagonisten zählt ausschliesslich die Kosten-Nutzen-Relation, der Profit, auch und gerade im zwischenmenschlichen Bereich. So etwas wie „Ideale“ kennt er nicht, sie sind für ihn absurde Relikte aus einer anderen, abgelebten Welt. Was zählt, ist einzig: Die Macht und das Geld.
Anhand dieses Charakters und seines Werdegangs, wir haben hier auch eine Art Entwicklungsroman (aber: entwickelt sich Sammy eigentlich?) vor uns, wird durchbuchstabiert, was so eine Einstellung – vielleicht – einbringt und was sie – vermutlich – kostet. Trotzdem schafft es Schulberg, an keiner Stelle langweilig zu werden. Hinter jeder Ecke lauert eine neue Variante, eine andere Facette, eine weitere Steigerung. Und erst ganz am Schluss wartet eine Relativierung, diese allerdings nicht unerheblich – und vielleicht die einzig Mögliche oder Passende, in Form eines Ehe-Drachens.


Sammy, der, seinem Charakter gemäss an so Vielen zum Täter wird, ist im Grunde, und zwar von Geburt an, selbst ein Opfer.
Diese Psychologisierung würde man heute vielleicht so nicht mehr schreiben. Auch das Abheben auf die Kindheit – der Erzähler des Romans, der uns die Geschichte von Sammy von A bis Z liefert, besucht Sammys Elternhaus und spricht mit Mutter und Bruder – vermutlich nicht. Im Jahr 1941 war Freud noch nicht so lange her wie heute. Aber Schulberg hat es damit nicht übertrieben, man muss sich daran nicht stören. Im Zentrum des Romans stehen Sammy und der Erzähler, der seine Geschichte berichtet. Sammy wird vom einfachen Redaktionsboten in einer Zeitung durch Bluff und Chuzpe und diesen speziellen Antrieb, nach dem der Titel des Romans fragt, in kürzester Zeit zum kometenhaften Aufsteiger. Im Nu erobert er Hollywood. Leitmotiv und Anzeiger für den Aufstieg ist sein Schuhwerk. Schon als Teenager ergaunert er sich sein erstes Paar bessere Schuhe – später wird er luxuriöses Maßschuhwerk der teuersten Art sich leisten können. So wird das Schuhmotiv zum Indikator seines Rennens und Aufstiegs.
„Was treibt Sammy an?“ ist auch Sozialroman und Charakterstudie. –
Der Roman ist eine Antwort darauf, was ein bestimmtes Milieu aus einem Menschen formen kann. Und er decouvriert ein System, das Charakteren wie dem von Sammy, der, ohne im Grunde eine Zeile geschrieben zu haben, zum Autor, Regisseur und schliesslich Studioboss avanciert, gleichsam huldigt.
Für Sammy ist Nettigkeit mit Blödheit gleichzusetzen. (Vgl. S. 26 f.)
Zunächst hat er kein „Mädel“, da es ihm nicht nützen würde. (Vgl. S. 28)
Eine seiner grössten Leistungen ist „die Fähigkeit, Beleidigungen und Peinlichkeiten wie ein Schwamm zu absorbieren“. S. 31.
Der Erzähler vergleicht ihn einem Frettchen, einem räuberischen Raubtier (vgl. S. 33) und einer der Redaktionskollegen sagt über Sammy: „ich kriege bei ihm das kalte Grausen“. (Ebd.)
Sammy ist unverschämt, er ist ein Alptraum, ist skrupellos und aalglatt, doch er bringt dem Erzähler „etwas über die Welt bei“, (S. 41) dieser sagt: „aber jetzt erreichte ich einen Zustand, in dem ich ihn so verabscheute, dass ich anfing ihn zu bewundern.“ (Ebd.) Und darüber hinaus: „Es schien, als hätte Sammy Glick diese Welt fest im Griff.“ (Ebd.) Wobei sich der Leser fragen muss, ob diese Bemerkung eine Kritik ist und ob sie mehr Sammy oder mehr der Welt gelten soll.
Sein Eigenlob stinkt zum Himmel, er ist nicht verletzbar, der Erzähler Al sagt über ihn: „Seine Gefühle zu verletzen war, als versuchte man, einen Elefanten mit dem Luftgewehr zu erschiessen.“ (S. 51) In einer Ansprache an Sammy wird Al ihm sagen: „Sei nicht schäbig. Schäbigkeit ist der Fluch unserer Zeit. Du beginnst, Schäbigkeit um dich zu versprühen wie billiges Eau de Toilette.“ (S. 51) Dies freilich ist eine Aussage über die Zeit oder die Welt, in die Sammy nur recht gut zu passen scheint.

Früh schon wird Al klar, „dass an dem kleinen Kerl etwas Lautes und Starkes pumpte, wie ein Kolben (…)“. (S. 54) Durch diese Maschinenmetapher wird deutlich, dass Sammy ihm unheimlich ist. Ja mehr noch: „Sammy vereinigte alles auf sich, was ich am meisten hasste: Unehrlichkeit, Beflissenheit, Menschenschinderei.“ (S. 59) Das ist nach seinem ersten, von ungeheurer Chuzpe getriebenen Anruf in Hollywood, der ihm allerdings die Türen dahin öffnet – bald wird er Schuhe aus Alligatorleder tragen. Und er singt „das Lob der amerikanischen Ratte“. (S. 81)
Auch Al kommt nach Hollywood, fühlt sich dort aber anders als sein ehemaliger Redaktionskollege, er ist grotteneinsam und desorientiert. (Vgl. S. 83)
Es gibt Sammy Glick, der durch und über die Wellen schlüpft wie ein Tümmler (vgl. S. 85), und es gibt – wie viele? – kleine Burschen, die von der einen Welle eingesogen und von der nächsten wieder abgeworfen werden. (Ebd.)
An einigen, eher seltenen und kurz gehaltenen Stellen kommt der Erzähler zu Resümees, die eine Gesellschafts- oder in diesem Fall Weltkritik bieten: „Es war niemandem ein Geheimnis, dass sie ihn benutzte und er sie, dass beide etwas wollten und es nicht so ganz zugaben. Manche nennen das den Hollywooder Stellungskrieg, obwohl das Konzept ein wenig eng gefasst ist. Hollywood mag eins der offensichtlichsten Schlachtfelder dieses Krieges sein, aber in Wirklichkeit ist er ein Weltkrieg, ein nicht erklärter.“ (S. 93)
Die Maschinenmetapher von zuvor wird auch an späterer Stelle noch einmal aufgenommen: „Ich musste bei ihm an einen grässlichen grinsenden Roboter denken.“ (S. 96)
Das vierte Kapitel beginnt ein wenig dramatisch und sentenzhaft: „Vermutlich ist es einfach schade, dass die Menschen nicht ein bisschen logischer sein können. Aber wenn sie es wären, würden sie vielleicht aufhören, Menschen zu sein. (…)“ (S. 98)
Bezeichnend auch das Telefonat Sammys mit Al über seine Lektüre von Ignazio Silone. (Vgl. S. 101 f.) – Für Sammy zählt nur Ausbeutbares und er bringt es auf ein schönes Bonmot: „Mit einem Gewissen leben ist wie mit angezogener Handbremse Auto fahren“. (S. 102)
Sammy ist ein gewissenloser, ekelhafter Grosskotz. – Nicht etwa Eigenschaften, trotz denen er reüssiert, sondern durch die er Erfolg hat – darin liegt die fundamentale Kritik des Romans. Sammy ist ein menschliches Raubtier, das gelernt hat, seine Zigarre wie eine Kanone zu handhaben (vgl. S. 111) und das gerade darum erreicht, was es will. Glücklich allerdings scheint es dadurch nicht zu werden.
Sammys Motto lautet: „Arbeite schwer, und wenn du nicht schwer arbeiten kannst, sei schlau, und wenn du nicht schlau sein kannst, sei laut.“ (S. 127)
Und als Al entgegnet, „du klingst wie Moses“, kontert Sammy: „Moses war ein Trottel“. (Ebd.)
Sammy hat seinen rasenden Erfolg, der Erzähler Al, offenbar normaler gestrickt, weiss aber zum Beispiel von einem Vergnügen, das Sammy nie kennenlernen wird: „die gewaltige Fröhlichkeit und Schinderei, wenn man etwas schafft, woran man glaubt.“ (S. 235) Das ist die Gegenposition, die allerdings im Roman nur sporadisch aufscheint und wenn, dann vielleicht auch gleich von Sammys Erfolgsmasche konterkariert und entwertet wird.

Doch das Buch stellt auch die Frage, ob es nur diesen einen Sammy Glick gibt, ob er ein abstruser Einzelfall ist oder ein Prototyp. Ein Typ, den ein System wie Hollywood, vielleicht jedes auf Erfolg hin orientierte System, braucht oder – gewollt oder nicht – auch fördert. Wie viele Sammy Glicks gibt es also? Oder gibt es, notgedrungen, immer mehr davon? Und wie wünschenswert wäre das? Wie stünde es um eine Gesellschaft, die im Wesentlichen solche Typen heranzieht? Ist er also, wie es an einer Stelle heisst „das Es unserer gesamten Gesellschaft“? (S. 280) – Und wenn es so wäre, was sagte das aus über diese?
Im neunten Kapitel, in welchem Al Sammys Herkunft unter die Lupe nimmt, wird es wie bereits erwähnt psychologisch, zugleich befinden sich hier Schlüsselstellen. Sammy wuchs damit auf, dass ein Mann werden hiess: Geld zu verdienen. (Vgl. S. 322) Sein Verhalten beim Tod des Vaters, einem gläubigen, armen Juden, der mit Sammy durchaus verknüpft ist, spricht Bände. Er ist dreizehn, wird aber als „Veteran“ bezeichnet und hat das Weinen längst verlernt. Was ihm zum Tod des Vaters einfällt, ist: „Es tut mir leid, dass er ein Trottel war.“ (S. 324) Diese Stelle kulminiert in einer erklärenden Kurzfassung von Sammys Werden und Wesen: „Zwischen den Runden gab es für Sammy keine Ruhepausen. Die Welt hatte ihm einen Komplex verpasst und ihn wieder entfernt. Sammy war bereit, die Herausforderung ganz allein anzunehmen, und dies war ein Kampf über die volle Distanz. Er hatte gekämpft, um in der East Side geboren zu werden, er hatte erst getreten, gebissen, gekratzt und gebohrt, um in ihr zu überleben, dann, um sie sich untertan zu machen, und jetzt, da er dreizehn und ein Mann war, hatte er eine andere Sorte Bar Mizwa bestanden, und war bereit für den Kampf, der ihn aus der East Side wieder herausführen sollte, in die Strassen mit den höheren Nummern, bereit, in Israels [seines Bruders, H.K.] abgelegten Schuhen zu rennen, mit leichtem Gepäck, nein, ganz ohne Gepäck und ohne ein einziges hinderliches Prinzip.“ (S. 324)
Ob der Leser dieses Romans diese psychologische Erklärung gebraucht hätte? Vielleicht wäre das Buch ohne diese sogar noch eine Spur stärker?
Jedenfalls führen Al seine Erkundungen in der Rivington Street, der Strasse in der Sammy geboren wurde, dazu, in angetrunkenem Zustand die Überlegung anzuschliessen, wie der Hass aus der Welt zu schaffen wäre. Und zwar dadurch, dass man einen Menschen nicht nur als Resultat betrachtet, sondern sich die Rivington Street jedes Betreffenden anschaut. Das müsse zu Mitgefühl und Erbarmen in der Welt führen. (Vgl. S. 325)
Sein Reiben an diesem Extrem-Charakter Glick fasst Al zusammen in einer Art umfassenden Gesellschafts- und Zivilisationskritik, wenn er schreibt: „Ich dachte an Sammy Glick, wie er in seiner Wiege aus Hass, Unterernährung, Vorurteil, Verdächten, Unmoral und der Anarchie der Armen schaukelte; ich dachte an ihn wie an einen räudigen Welpen, der versucht, im Kampf Jeder-gegen-jeden nicht vor die Hunde zu gehen. Ich wechselte mit meinem Hass auf Sammy Glick vom Persönlichen ins Soziale. Ich hasste nicht einmal mehr die Rivington Street, sondern nur noch das Prinzip der Rivington Street, aller Rivington Streets aller Nationalitäten, denen man erlaubte, sich in den Städten wie gigantische Misthaufen anzusammeln, die die Welt vollstanken, ehrgeizige Pläne, die aus Dreck wuchsen und davonkrochen wie Würmer. Ich sah Sammy Glick auf einem Schlachtfeld, auf dem jeder Soldat im eigenen Namen kämpft, seine eigene Armee, seine eigene Fahne ist, und mir wurde klar, dass ich ihn mir nicht ausgesucht hatte, weil er egoistischer, rücksichtsloser und grausamer als alle anderen in die Welt geboren war, sondern weil er sich mitten in einem Krieg, der egoistisch, rücksichtslos und grausam war, als der Fähigste, Furchtloseste und Flinkste herausgestellt hatte.“ (S. 329)
Harry Rowohlt hat hier ein immer unterhaltsames, sehr gut gemachtes und unbedingt lesenswertes Buch neu übersetzt. Ganz fehlerfrei allerdings ist auch dieses nicht.
Es gibt Druckfehler, allerdings ist ihre Anzahl im Rahmen :
Unfreiwillig komisch ist: „Er entschied sich für das Vendome, weil damals alle dahingingen.“ (S. 76) Gemeint ist: Alle gingen hin, wohl kaum: Alle starben dort.
Es gibt auch Sinnentstellendes, obwohl es bei Sammy schon wieder passen würde. Trotzdem muss es vermutlich nicht „Klingt für mein Geld sogar sehr moralisch“ heissen, sondern „Klingt für mein Gefühl…“. S. 227.
„Louie Armstrong“ ist vermutlich Absicht? (S. 275) Aber warum?
„Dasgleiche“ schreibt man wohl ebenso wenig zusammen wie „bessergehen“ oder „solang“. S. 299, S. 293, S. 332 Oder steckt dahinter System?-
Und warum „Krazy House“ mit „K“? S. 381
Aber die Übersetzung scheint, auch ohne dass man das Original kennen würde, auch nicht an jeder Stelle gediegen. Oder was hat es mit der Passage auf S. 121 auf sich: „Mein Tanzstil war nicht allzu gut, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, und weil ich das wusste.“ ? Oder S. 124, wo zwei Menschen „im Gänsemarsch“ marschieren?
Aber das sind doch Nebensächlichkeiten, „Was treibt Sammy an“ ist ein tolles, flottes, nach wie vor interessantes Buch, das manche Parallele zu bekannten Charakteren ziehen lässt und so ja vielleicht auch einen gewissen Gebrauchswert hat; unterhalten wird man ohnehin prima und auch das Titelbild ist gut ausgesucht.
Budd Schulberg der, als gewesener Kommunist, in der Mc Carthy-Zeit eine unrühmliche Rolle als Informant und Namenspreisgeber spielte, hat neben seinem Hollywood-Porträt der intuitiven Spieler und Karrieristen noch andere Bücher geschrieben: Die deutschen Übersetzungen heissen etwa „Schmutziger Lorbeer“, „Gesichter in der Menge“, „Asyl Hölle“ oder „Die Faust im Nacken“.
Für Sammy allerdings wurde er, wie das Nachwort berichtet, in Hollywood zunächst freilich geschnitten. Sam Goldwyn soll „lila vor Zorn“ geworden sein und ihn gefeuert haben. (S. 402) „Hedda Hopper, die Kolumnistin, die Schicksale und Karrieren Hollywoods in der Hand hatte, entgegnete ihm mit einem „Wie können sie es wagen!“ (Ebd.)


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4 Antworten zu „Budd Schulberg: „Was treibt Sammy an?““

  1. Avatar von uwe
    uwe

    Klingt interessant und sehr aktuell. Scheint mir auch ein geniun amerikanisches Thema zu sein: der Traum vom Glück und Ruhm, der durch uneingeschränktes Erfolgs- und Leistungsstreben zu erreichen ist, das Leben als Kampf Jeder-gegen-jeden.
    Was ist denn deiner Meinung nach stärker ausgeführt: die Milieu- oder die Charakterstudie?
    Und was mich – noch vor der eigenen Lektüre – interessieren würde: Wird denn Al als Gegenfigur zu Sammy dargestellt oder enthält sich der Roman jeglicher Wertung? Wie ist das Zusammenspiel von Erzähler und Figur zu verstehen? Denn wenn es auch ein Roman einer Entwicklung ist, wohin geht sie bei den beiden?
    Ich werde ihn mir besorgen und am Wochenende lesen. Du kannst dir also die Beantwortung auch für später aufheben. Jedenfalls danke ich dir für den Tipp. Mein Lesermund ist wässrig geworden: anspruchsvolle und amüsante Unterhaltungsliteratur mit einer sozial- und charakterkritischen Thematik – was will man mehr für ein hoffentlich sonnenreiches Wochenende.

  2. Avatar von Helmut
    Helmut

    Freut mich, dass ich Dich motivieren konnte, Dir das Buch zu besorgen! Bin gespannt, ob es Dir auch gefallen wird.
    So ganz amerikanisch ist es gerade nicht: Der Traum „vom Tellerwäscher zum Tycoon“ bekommt hier ja schwer eins auf die Mütze.
    Was Deine Frage in punkto Milieu versus Charakter betrifft: Vielleicht ist es nicht zu trennen. Vielmehr wird gezeigt, dass dieses bestimmte Milieu diesen bestimmten Charakter fördert, wenn nicht braucht. – Wohingegen andere, ehrlichere, bodenständigere Typen leer ausgehen oder in den unteren Chargen landen.
    Und das scheint mir in der Tat (wann nicht, leider ?!) aktuell.
    Al ist der Beobachter und Erzähler, er ist eine Gegenfigur, aber auch seine Abhängigkeit wird gezeigt, sein ganzes problematisches Verhältnis zu Sammy – auch das ist einfach gut gemacht, nicht zu einsinnig, nicht zu simpel. Er schwankt auf dem Grat, Sammys einziger Freund zu sein – und gleichzeitig ihn total abzulehnen.
    Am Wochenende lesen? – Es ist ein dickes Buch!
    Aber ich wünsche viel Spaߟ damit!!

  3. Avatar von uwe
    uwe

    Ich habe es gelesen und bin wie du überzeugt, dass es ein gut gemachtes, sprachlich erlegantes und selbst nach über 60 Jahren immer noch brandaktuelles Buch ist. Gerade die Mischung aus Charakterporträt und Milieustudie macht die Lektüre zu einem spannenden und nie langweiligen Unternehmen.
    Die Figuren sind präzise gezeichnet und die Charakterschilderungen spannen sich vom ironischen über das satirische bis hin zum einfühlsamen Persönlichkeitsporträt.
    Eine weitere Stärke erkenne ich vor allem in der die Spannung aufbauenden und die Handlung zugleich vorantreibenden und kommentierenden Dialogführung: Das ist schon meisterlich, wie er aus den vielen Gesprächen sowohl die Handlung sich weiterentwickeln als auch die unterschiedlichen Charaktere der Beteiligten erkennen lässt.
    Besonders spannend fand ich die Erzähldisposition, dass nämlich der Erzähler eloquenter Widersacher von Sammy ist und zugleich derjenige, der sich im Verständnis und im Verstehen-wollen dessen, was diesen antreibt, am weitesten vorwagt, neben der Figur der Kit Sargent, der Drehbuchautorin, die immer mal wieder intelligente Statements zum Geschehen und zur Persönlichkeitsstruktur von Sammy abgibt. Das Charakterporträt balanciert daher sehr gekonnt auf dem schmalen Grat der Ablehnung und Bewunderung und gibt dabei einen sehr detailreichen und analytisch klaren Einblick in einen ganz bestimmten menschlichen Prototypen – das des asozialen Erfolgsmenschen, der seinen Ehrgeiz absolut setzt und seinen Sozialdarwinismus voll und direkt und unter Umgehung aller kulturellen oder moralischen Standards der Solidarität und Empathie auslebt. Und diese Charakterstudie ist deshalb so präzise ausgeführt, weil sie von einem Erzähler vorgenommen wird, der von seinem Gegenstand zugleich fasziniert und abgestoߟen wird: Bei aller Distanz gewinnt er dadurch die grösste Nähe zu Sammy, wird ungewollt-gewollt dessen bester Freund und Feind zugleich, denn was ist es, was er am Ende des Buches schafft – das Porträt eines Lebensstils made in USA, der dem Leser als warnendes Gegenbild vor Augen geführt werden soll. Und als ein solcher Negativheld ist Sammy aktueller denn je, wie Schulbergs Nach- und Vorwort in wünschenswerter Deutlichkeit herausstellen, und du ja auch in deiner Besprechung hervorgehoben hast.
    Wie krank muss also ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem sein, in dem ein Mensch mit unmässigem Ehrgeiz und ungedingter Erfolgssucht aufsteigt, und nicht trotz, sondern wegen dieser Eigenschaften. Insofern greift hier die Charakter- in die Sozialanalyse ein, und es ist nur folgerichtig, dass die Hauptfigur keine Entwicklung durchmacht, sondern sich eigentlich gleich und treu bleibt, gewissermaߟen einen „Keim“ in seinem Inneren auswachsen lässt, im Widerstand gegen die und im Wettkampf mit der Welt und seinen Mitmenschen. Er tut dies sehr bewusst und mit einer Geistesgegenwart, die erschreckend ist. Fortkommen um jeden Preis ist seine Devise, und er zahlt dafür mit einer fundamentalen Liebes- und Bindungsunfähigkeit und lebenslanger Einsamkeit. Schön auch, dass er zuletzt zwar von der zickigen und statusbewussten Ehefrau vorgeführt, nicht jedoch zu einer Kursänderung bewogen wird. Er bleibt auf seinem Gleis und pflegt weiter seinen rücksichtslosen Individualismus.
    Im Ganzen also unbedingt lesenswert, da stimme ich dir uneingeschränkt zu. Auch die ߜbersetzung scheint mir gelungen. Es ist eine sehr eingängige und doch auch elegante Sprache, mit einem eigenen Sound, die ihre Stärken in der Figurenzeichnung und dem spannungsgeladenen Dialog hat. Danke für den Tipp. Ich werde es weierempfehlen.

  4. Avatar von Helmut
    Helmut

    Dem ist nicht viel hinzuzufügen, freut mich, dass das Buch doch, nach anfänglicher [Hollywood]Skepsis überzeugt und gefallen hat.
    Interessant ist, dass, wie das Interview zu Schulberg im Deutschlandradio nahelegt, Sammy heutzutage nicht mehr unbedingt als Negativheld wahrgenommen wird.
    Sollte das tatsächlich so sein und am Ende ein Massenphänomen, wäre es allerdings bedenklich. – Und gleichzeitig passendes Zeit-Zeichen. Denn dann wäre dieser Charakter gerade heute ein besonderes Instrument für die Sozialanalyse.
    Was also wäre von einer Gesellschaft zu halten, die Sammy nicht als Extrem und Prototyp beinhaltet, sondern als Normalität fordert und propagiert?

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