György Dragoman: „Der weisse König“, Roman aus dem Ungarischen übersetzt von Laszlo Kornitzer, erste deutsche Auflage Frankfurt am Main 2008, die Originalausgabe erschien 2005 unter dem Titel „A fehér király“ in Budapest, 293 Seiten, 19,80 Euro
Ein hartes Buch mit einem sehr emotionalen Beginn, konsequent und schnörkellos geschrieben. In 18 episodisch aufeinander folgenden Kapiteln – nicht in einer durchgehenden, verwobenen Romanerzählung – wird von etwa zwei Jahren einer Jugend in Rumänien zur Zeit des Ceausescu-Regimes und des Tschernobyl-Unglücks erzählt, die von Gewalterfahrung geprägt ist. Erzählt wird aus der Perspektive des jugendlichen Helden selbst. Berichtet wird vom Elend, aber auch, allem zum Trotz, vom Reichtum einer Jugend in einem schwierigen Land unter den prekären Verhältnissen der Diktatur. Stets droht im Hintergrund als Straflager der Donaukanal, zu dem man als Zwangsarbeiter verschleppt werden kann, wie es wohl dem Vater des jungen Dzsata geschieht. So ergibt sich das Porträt einer Gesellschaft, die vom perfiden Recht des Stärkeren ebenso beherrscht wird wie von Willkür, Hass, Dünkel und auch Aberglaube. Man kommt nicht in Gefahr, die Figuren des Romans um ihren Aufenthalt in diesem Land zu dieser Zeit zu beneiden. Und es stellt sich die Frage, ob – und wenn ja wie – die Bösartigkeit, die Brutalität und kalte Mitleidslosigkeit in Zusammenhang mit dem politischen System oder der Lebensform Diktatur stehen.
Der Autor kann etwas. Allerdings schreibt er keinen gleichsam panoramatischen Roman, sondern einen in eher lose aufeinander folgenden Kapiteln, die an ein Kammerspiel denken lassen. Man könnte sich dieses Buch gut verfilmt vorstellen (und hofft insgeheim, dass es nicht in Bezug auf diesen Aspekt, die Weiterverwertung, so geschrieben worden ist). Zumal in den letzten Jahren einige ähnliche harte und herbe Bücher osteuropäischer Autoren erschienen sind, die auch von kindlichen oder jugendlichen Helden handeln und aus deren Sicht geschrieben sind. (Beispiele: Man könnte an Bücher von Andrzej Stasiuk denken, „Die Mauern von Hebron“ oder „Wie ich Schriftsteller wurde“, auch an „Die Farbe des Krieges“ von Babtschenko oder die Trilogie „Die Zugereisten von Lojze Kovacic sowie an „Begrabt mich unter der Fussleiste“ von Pawel Sanajew und Wojciech Kuczoks „Dreckskerl“)
So könnte man bereits an eine Mode oder, abwertend formuliert, an eine Masche denken, wenn diese Bücher nicht doch im Wesentlichen zu überzeugen wüssten. Vielleicht berichten sie schlicht auch davon, was zu erzählen (noch oder immer wieder?) lohnt – und in dieser Weise hier im Westen vielleicht doch, und man darf sagen zum Glück, so nicht im Zentrum der Erfahrung der meisten Heranwachsenden steht. Wenngleich es auch hier – und zunehmend? – Landstriche oder Stadtteile zu geben scheint, in denen es normaler wird, Probleme mit Gewalt zu lösen und die humane und gesellschaftliche Zerrüttung und Verrohung voranzuschreiten scheint.
Dennoch, mit diesem Buch liegt eine spannend geschriebene, beeindruckende Geschichte vor, nach deren Lektüre man sich jedoch die Frage stellen kann, was man damit anfangen kann oder soll und wie lange die Halbwertszeit des Gelesenen sein wird. Und man fragt sich wie „normal“ Erfahrungen wie die geschilderten in Ländern wie Polen, Russland oder Rumänien denn wirklich ist.
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